Ich bin
Rede zur Finissage 08.01.1999, im Lichtkuppelsaal der esg um 19:00.
Im Spannungsfeld polarer Kräfte, z.B. Ausdehnung - Zusammenziehung entwickelt sich aus einem einfachen, ungeformten eine höhere, differenziertere Form. Aus dem Planzensamen sprießt ein
einfaches glattes Keimblatt. Zusammenziehung zur Blattknospe - Zwischengestalt - und es ent-
faltet sich als nächstes ein differenzierteres, stärker gezahntes Blatt. Dieser Prozess setzt sich
fort bis zur höchsten, schönsten, ausdifferenziertesten Blattform, dem Blütenblatt.
Oder, am bekanntesten: die Raupe wird zur Puppe und in diesem abgeschlossenen Raum, dem
Kokon, findet dieser phantastische Vorgang der Verwandlung statt, es bildet sich ein Schmetterling.
Entsprechend der Konzeption, der Gliederung dieser Ausstellungs- und Aktionsreihe ist Metamor-
phose, ebenso wie für die vierte und zwölfte, das Thema dieser achten Ausstellung des Zyklus
zwischen den Jahrtausenden. Gestaltet wird diese Situation von den Beteiligten der vorhergehenden drei Ausstellungen.Ein staunendes sich hinwenden dem inneren Erleben: Erinnern - Vergessen; Zweifel - Gewissheit; Beweggründe war der Leitgedanke für diese drei Ereignisse. Beim durchwandern der Zeit mit und in dieser inneren Landschaft erfährt der Einzelne, wie bewußt
oder unbewußt auch immer, jenes Erleben des ICH BIN nicht nur ein einzelner Mensch,
ich bin einzig. Nur ich weiß , fühle wer oder was mit diesem ICH gemeint ist.
Metamorphose geheimnisvoller Prozess Wahrnehmung nimmt sich selber wahr
Oder ist dies alles nur eine Illusion und der Einzige ist nichts weiter als eine genetische und soziale Kopie, der es ein Quentchen Zufall gestattet sich eine kleine Weile selbstgefällig zu spreitzen
und zu drehen?
Dann allerdings wäre der Zyklus als ein überflüssiges Getue hier zu beenden.
Nein, im Spannungsbogen polarer Kräfte gebiert ICH das Wollen frei zu sein.
Dieses Geheimnis gilt es zu bewahren. Ich muß diese Kraft aufrechterhalten mit der ich zum Gestalter werde meiner Welt und meiner selbst., denn sonst gebe ich mich auf als Mensch, als
Künstler. Wo aber findet sich ein abgeschlossener Raum, ein schützender Kokon in dem und aus
dem heraus diese Metamorphose möglich wird, ohne das diese Kraft zum Fluch wird, zum Fluch
für die Welt und für mich selbst?
Dieser Raum entsteht in der Erfahrung von Ehrfurcht.
Das meint natürlich nicht Ehrfurcht vor irgendjemandes Eigentum oder irgendwelche feierlichen
Rührseligkeiten. Nein Ehrfurcht ist die Bewußtwerdung der Teilhabe am Lebendigen.
Teil zu sein der Idee Mensch.
Diese Ehrfurcht zu kultivieren, auch dazu laden wir Sie ganz herzlich ein.
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